Juli

Feigenmarmelade schmeckt langweilig.

Weil keiner von uns langweilige Marmelade essen möchte, haben wir die Früchte in den letzten Jahren ausschließlich roh gegessen. In diesem Jahr kommen wir mit dem Rohessen nicht hinterher. Die Äste biegen sich unter der Last und auch ich musste mich beugen und mich der Verwertung stellen, wenn ich sie nicht gleich kompostieren wollte. Der Langeweile setzte ich Kreativität entgegen. Dabei halfen mir Orangen, Zitronen, Pflaumen, Erdbeeren, frischer Ingwer, kandierter Ingwer, Rotwein und Lavendel. Mir scheint, dass wir über Jahre davon zehren werden, und ich mag nicht auf den zweiten Baum schauen, der uns ab Mitte August mit seinen Früchten beglücken wird. Es kommt jedes Mal einer Drohung gleich, wenn ich dran vorbeilaufe …

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Das erste Mal in diesem Jahr am Strand.

Lediglich als Strandläufer. Danach Wocheneinkauf getätigt und schnell wieder nach Hause, um mich um die Zucchini zu kümmern.

Irgendwas machen wir falsch …

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Zucchini schreibt man mit Z.

Das ist der letzte Buchstabe im Alphabet und auch das Gemüse rangiert bei uns an letzter Stelle, wenn ich Lieblingssorten aufzählen sollte. Zucchini stehen nie auf meinem Einkaufszettel, aber wenn die Gartensaison beginnt, kommen bei uns drei Pflänzchen in die Erde. Drei, weil wir zwei durchbringen wollen, denn in der Regel verabschiedet sich eins, bevor es wunderbare Blüten treibt. Die verbleibenden zwei liefern dann den ganzen Sommer hindurch und ich glaube, es ist die Zuverlässigkeit und das daraus resultierende Erfolgserlebnis, das das Pflanzen zur Zwangshandlung werden läßt.

In diesem Jahr erlebt das Ganze eine Steigerung. Zum einen sind alle drei Pflanzen durchgekommen, zum anderen wollte mein Mann die freie Fläche, wo die alten Erdbeeren weichen mussten, nicht brach liegenlassen und kaufte zwei weitere Pflänzchen die jetzt hinterherwachsen und die Erntezeit verlängern würden, was er mir nicht ohne Stolz mitteilte. Möglicherweise dachte er dabei nicht an die Konsequenzen, die er nun täglich mittragen muss. Zucchinisuppe, Zucchinirisotto, Zucchiniflan, Zucchinifrittata, Zucchini gefüllt, Zucchini im Salat.

Gerne würde ich welche einfach nur verschenken. Es gibt aber niemanden, der dankbar wäre. Heute fragte mich meine Nachbarin, die, die das mit dem chinesischen Neujahr nicht versteht, ob ich Zucchini haben wollte. Jetzt kann ich meine Nachbarin nicht verstehen …

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Fünfundzwanzig gefahrene Kilometer, zerkratzte Beine, eine verlorene Sonnenbrille, ein Sommerkleid bestückt mit über einer Million kleiner Kletten, 350 Milliliter Holunderbeerensaft.

Das ist keine gute Bilanz. Ich war zu spät in diesem Jahr. Musste mich durch ein Sonnenblumenfeld schlagen, um an meine „Jagdgründe“ zu gelangen. Die Dolden hingen schlaff an den Büschen, die meisten Beeren vertrocknet, die noch brauchbaren in unerreichbaren Höhen.

Vier Gläser Marmelade, aber auch nur, weil ich die fehlende Fruchtmenge mit Fremdobst ergänzt habe. Zur Kompensation schnitt ich großzügig Sonnenblumen vom Feld für die Vase. Ich weiß, der Bauer kann nichts dafür, …

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Bevor wir eine Katze hatten, hatten wir jede Menge Eidechsen.

Die Menge hat sich gewaltig reduziert und die Hälfte vom Rest hat keinen Schwanz mehr. Das liegt an unserer Katze, die hinter allem her ist, was sich bewegt. Und weil die Eidechsen das wissen, werfen sie bei Gefahr ihren Schwanz ab, der dann körperlos rum zuckt und die Aufmerksamkeit der Katze auf sich zieht, während sich der andere Teil aus dem Staub macht.

Das gelingt leider nicht immer …

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Diese Temperaturen nenne ich human, also erträglich. Wir sind zufrieden mit diesem Sommer, in dem wir lediglich die Medikamente in den Keller bringen mussten, weil sie im Schnitt eine Lagertemperatur über 25 Grad nicht mögen. Wir hingegen „lagern“ weiterhin ganz entspannt in unseren Betten, mussten noch nicht mit den Matratzen zu den Medikamenten umsiedeln. Das Leid der Freunde und Familie in Deutschland können wir nachvollziehen. Ein Jahrhundertsommer.

Vielleicht machen die Italiener in Zukunft Urlaub an der Ostsee …

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Unsere Enkelkinder sind da.

Ich liebe meine Enkelkinder und meine Enkelkinder lieben unseren Pool, aber auch ihre Oma. Die muss dann mit ins Wasser und darf nicht raus, weil sie ja noch keine blauen Lippen hat, … der Indikator der mitgereisten Eltern für ihren plantschenden, schwimmenden und tauchenden Nachwuchs. Dass das Schrumpeln meiner Finger keine Steigerung mehr erfahren kann, interessiert sie nicht.

Die dürfen sich wieder entfalten, wenn wir wandern. Das machen die drei (7,6,4) ganz wunderbar! Ob Höhenmeter oder Strecke (da schüttelt so manch entgegenkommender Wanderer den Kopf), ein Durchhaltevermögen wie im Wasser…

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Aus Erfahrung würde man klug werden, heißt es.

Als Kind durfte ich berechtigt in Panik verfallen, wenn die Bauern die Felder pflügten. Das war ein sicheres Zeichen, dass der Sommer vorbei war. Hier in Italien wird schon im Juli die Erde mit schwerem Gerät umgebrochen. Angefangen bei den Stoppelfeldern, die dann braun und mit aufgeworfener Scholle das Landschaftsbild verändern. Auch wenn ich drum weiß, dass der Herbst noch in weiter Ferne liegt, die Panik aus Kindertagen ploppt auch heute noch auf, wenn das monotone Geräusch der Maschinen tagelang die Hügel vertont.

Heißt das jetzt, dass ich blöd bin?

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August

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Nach dem Besuch ist vor dem Besuch.

 

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Wir warten auf Regen.

Das tun wir jedes Jahr während der Sommermonate. Mal mehr, mal weniger. Momentan mehr. Hauptsächlich wegen der Pflanzen in unserem Garten. Wir können sie nicht alle wässern. Manche müssen durchhalten, während wir Mitleid entwickeln, was allerdings, wie so oft im Leben, nicht wirklich hilft …

Es regnet!

Achtundvierzig Liter in fünfundvierzig Minuten. Das sind aufgerundet fünf Gießkannen auf einen Quadratmeter. Flächendeckendes Glück. Wir waren den Tränen nah. Hätten wir sie laufen lassen, hätte ich nicht aufrunden müssen …

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Ferragosto.

Das dazugehörige Datum ist der 15. August. Großzügig betrachtet sind es 2-3 Wochen, die sich um diesen Tag gruppieren, und in denen der Großteil der Italiener seinen Sommerurlaub verbringt.

In diesem Zeitraum ist es ratsam von einem Strandbesuch abzusehen, man würde eh kaum eine Liege, geschweige denn, Schatten bekommen. Das Lieblingsrestaurant sollte man meiden (es könnte seinen Status verlieren!), überhaupt sollte man es vorziehen, zuhause die Mahlzeiten zu sich zu nehmen, der Ansturm geht in der Regel zu Lasten der Qualität.

In diesen Wochen sollte man sich auch nicht zum längst fälligen Frisörtermin durchringen (auch Luigi, Luca, Fabio oder wie immer sie heißen, werden irgendwo in der Sonne liegen), Zahnschmerzen am besten aussitzen. Rohrbrüche, Kabelbrände, Blech- oder Dachschäden (generell unwillkommene Zwischenfälle) werden zu Ferragosto zur Katastrophe.

Alle Welt liegt am Strand, ein geringerer Teil zieht die Bergwelt vor, … sprich, der Italiener ist unterwegs, das normale Leben befindet sich im Ausnahmezustand.

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September

Spätsommertage

Die Landschaft ist braun, das Licht milde, das Restgrün leuchtend, die Temperaturen moderat, das Haus endlich wieder runtergekühlt, die Tage kürzer, die Nächte durchschlafen, …  die Trauer groß.

Endlich ist alles so, wie ich es ersehnte, als es vor der großen Hitze kein Entkommen gab. Warum dann trauern? Es ist wohl das Wissen um den Abschied und die Furcht vor der kalten Jahreszeit.

Ich sollte den Kopf nicht so hängenlassen, wie die Sonnenblumen, die wie Unschuldige in der Gegend rumstehen und aufs Geköpftwerden warten.

Ich sollte die Spätsommertage genießen, die bis weit in den Oktober hineinreichen können. Ich sollte mich freuen …

Tu ich doch!

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Es tut sich was.

Was lange währt … unser Stromanbieter hat sich nach langem Kampf offensichtlich zum Ausbau des Netzes durchgerungen. Man hat Material abgeladen. Zwei Masten aus Metall liegen im abgeernteten Sonnenblumenfeld. Schritt eins …

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Endlich Urlaub! Sardinien … und ohne Worte!

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Aufgestellt und ausgepackt.

Welch eine Freude, keine Trauer, weil der Urlaub vorbei ist.

Wird nun endlich alles gut, was solange währte? Das Feld gepflügt, die Masten stehn, dann wird das mit dem Strom bald gehn.

Oktober

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Heute habe ich Feuer im Kamin gemacht.

Auch mein Pappmache-Mann schaut traurig aus. Dauerregen zum ersten Oktober. Viel zu früh. Ich möchte noch keine Wollpullover tragen und ich möchte mir auch nicht anhören müssen, dass es kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur falsche Kleidung …

Das Öl ist in Dosen!

Zugegeben, wir waren nicht so gleichgültig, was die Beobachtung der Entwicklung unserer Oliven angeht, wie ich das im Mai erwähnte. Wir mussten in den Sommermonaten feststellen, dass nicht alle Bäume gleich trugen, manche sogar gar nichts. Das hatte mit der Frostnacht im März zu tun, die hatte Schäden hinterlassen. So war nicht sicher, ob wir die geforderte Mindestmenge von vier Zentnern für die Ölmühle zusammenbekommen. Und als wir die ersten Olivenfliegen sichteten, ging es nur noch darum, ihnen zuvorzukommen. Das heißt, wir haben die Ernte vorverlegt. Drei Tage haben wir von Hand gepflückt. Ein knappes, aber ausreichendes Ergebnis bescherte uns fünfunddreißig Liter Öl. Klingt viel, ist aber wenig für all die Mühen, die dahinterstecken. Dann frage ich mich immer, was sich in den Literflaschen beim Discounter für 6,25 € befindet. Bio Olivenöl nativ extra? So zumindest steht es auf dem Etikett …

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Gestern war ich im Kino.

Da ich nun schon mal im Städtchen war, besorgte ich Knöpfe im Kurzwarenladen und brachte ein Bild zum Rahmen. Das Personal trug wattierte Anoraks, der Herbst hatte auch in den Läden Einzug gehalten. Beim Glas Wein und den Stuzzichini in der Bar behielt ich meinen Mantel an und zog ihn auch im Kino nicht aus. Das war nicht der Grund, warum ich mal wieder nicht alles verstanden habe …

November

In sechs Wochen ist Weihnachten.

In der Regel wird die Stimmung schon durch die ersten Lebkuchen und Spekulatius Ende August beansprucht, wenn man sie in den Regalen der Supermärkte entdeckt. Ich versuche sie nicht zu entdecken, was in Italien nicht so schwerfällt, denn hier beginnt der Vorverkauf erst Ende Oktober, und aufgestapelte Panettone lösen bei mir immer noch nicht Assoziationen wie Lebkuchen oder Spekulatius aus. So ganz langsam würde ich mich allerdings gerne einer zeitlich angebrachten Weihnachtsstimmung hingeben, wären da nicht die unpassenden Wetterkonditionen. Ich weiß, es gibt weiß Gott andere Probleme …

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Ich war ein paar Tage in Rom. Mit dem Zug.

Zugfahren in Italien ist preiswert. Für 16,20 Euro in dreieinhalb Stunden einmal quer durch den Stiefel. Über den Apennin hinweg und streckenweise durch ihn hindurch. Ich liebe Zugfahren. Wenn ich nicht rausschaue, schaue ich in mein Buch, das ich mir für die Reise ausgesucht habe. Lesen ohne schlechtes Gewissen, … weil doch noch so viel anderes zu tun wäre. Im Zug muss man nichts tun. Im Zug muss man nur sitzenbleiben, bis man ankommt.

Und dann habe ich mich ins Großstadtgewusel gestürzt. Mir tut das gut, nach jeder Menge Landleben. Rom ist unerschöpflich. Es gibt immer wieder Gründe, sechzehn Euro zwanzig hinzulegen …

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Heute versinkt alles im Dunst.

Das sind die Tage, an denen ich während der Wintermonaten in den Bars und ungeheizten kleinen Lebensmittelläden noch mehr friere, als gewöhnlich. Dann denke ich an nette Cafés in Deutschland, wo man sich durch Gratis-Illustrierten blättern kann, während man an einer heißen Schokolade mit Sahnehaube nippt.

Manchmal versinken wir tagelang in dickem Nebel. Dann erinnere ich mich daran, als unser Ältester uns vor Jahren zur Zeit des Renovierens das erste Mal besuchte. Eine Woche lang durften wir uns über seine Anwesenheit freuen. Er sah, was wir schon geleistet hatten und er sah, was es noch zu leisten gab, aber er sah nicht, in welcher Landschaft sich unser Haus befand.

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Dezember

Das schaut hässlich aus.

Befindet sich aber erfreulicherweise nicht in unmittelbarer Nähe zu unserem Haus, allerdings nahe genug, um auch uns endlich mit der Strommenge zu versorgen, die wir brauchen.

Kekse backen und gleichzeitig Weihnachtsmusik hören, während die Waschmaschine läuft und die Wärmepumpe sich um die Fußbodenheizung kümmert. Das ging noch nie!

Oh du fröhliche, oh du selige …

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Weihnachten steht vor der Tür.

Und auf unserer Terrasse ein Tannenbaum. Nichts Edles, das bekommt man hier in Italien nicht. Es sind die kurznadeligen mit Wurzelballen, die in der enganliegenden Netzverpackung auf einen Käufer warten, der sie mit nach Hause nimmt. Wir haben einen mit nach Hause genommen. Auch ohne Netz bleiben die Äste erst einmal da, wo sie möglicherweise schon vor Wochen hingezurrt wurden. Nur mit aufgelegten Gewichten (quasi ein orthopädischer Eingriff) und genügend Zeit, bekommen wir sie in eine Position, die ein Schmücken zulässt.

Sind wir im Januar in Deutschland und die ausgedienten Edeltannen liegen abholbereit in sattem Grün und dicht benadelt am Straßenrand, möchte ich sie einsammeln.

Ich bin eine überzeugte Europäerin.

Nach einigen Jahren in Asien ist mein Zugehörigkeitsgefühl gewachsen. Da wurde Europa zur Heimat. Auch wenn die großen Ketten mittlerweile weltweit die Einkaufszonen bestimmen, die kulturelle Vielfalt ist noch nicht unter die Räder gekommen.

Das zeigt mir das weihnachtliche Sortiment im Supermarkt. Alles mit Neugierde probiert und einiges liebgewonnen. Nur an den gefüllten Schweinefuß habe ich mich noch nicht rangetraut …

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Heute kam das letzte Blech aus dem Ofen. Morgen kommen die Enkel.

Während der Adventszeit ging ein Hilferuf durch die sozialen Netzwerke. Wie organisiert ihr die Zutaten fürs traditionelle, deutsche Weihnachtsgebäck in Italien? Da gab es Vorschläge, wegen der fehlenden Oblaten die örtliche Pfarrei aufzusuchen, das Kokosfett bei Amazon zu bestellen und Marzipanrohmasse habe man schon bei Ikea gesichtet. Ich habe 15 Sorten gebacken. Ich hätte weitere 15 Sorten backen können und hätte immer noch kein Problem mit den Zutaten gehabt. Ich habe in vielen Auslandsjahren gelernt zu improvisieren. Meine Kekse sehen weder provisorisch aus, noch schmecken sie so. Frohe Weihnachten …

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