PRIMO MAGGIO

 

Heute ist der erste Mai. Festa del lavoro. Tag der Arbeit.

Arbeit haben vor allem die Frauen, weil sie all das Essen zubereiten müssen, das an diesem Tag verspeist wird. Das ist nicht wenig, da kleckern die Italiener nicht, zumindest im übertragenen Sinne nicht. Ich weiß, wovon ich rede, wir haben nicht nur einmal diese Völlerei im großen Kreis mitgemacht. Das war in den ersten Jahren unseres Italiendaseins. Da gehörten wir noch zur Familie unseres Hausverkäufers, da wurde AMICIZIA noch großgeschrieben (die Aufkündigung der Freundschaft ist auf Seite 214 in „Zuweilen singt die Callas“ nachzulesen).

Um die Freundschaft tut es uns leid, über den wiedergewonnenen ersten Mai freuen wir uns.

„Cosa fate al primo maggio?“ Jedes Jahr fragt mich meine Nachbarin, was wir am ersten Mai machen. „Niente“, sage ich dann, …“nix“!

„Ohhh …“ sagt sie dann und das klingt immer ein bisschen traurig.

„Ist für uns nicht wichtig“, sage ich dann, damit sie keinen Grund hat, traurig zu sein. Aber weil sie dann immer noch traurig ausschaut, frage ich sie, was sie am chinesischen Neujahr machen.

„Capodanno cinese?“ da würden sie nix machen, sei für die Italiener nicht wichtig.

Und so erkläre ich ihr jedes Jahr, dass für uns der erste Mai nicht wichtig ist.

Gestern habe ich sie wieder fragen müssen, was sie am chinesischen Neujahr machen …

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Gestern kam ich aus Berlin.

Heute stand ich in Italien im Garten und in der Küche. Mehr Kontrastprogramm geht nicht. Meine braun verfärbten Finger werden mich noch ein paar Tage an meinen Einsatz erinnern. Das Zucken (eine Begleiterscheinung, wenn man hundertfünfzig Artischocken entblättert) wird morgen verschwunden sein.

Die Italiener verhalten sich in Sachen Artischocken, wie wir Deutschen beim Spargel. Man tobt sich in der Saison aus.

Ich bin froh, dass unsere Haupternte schon unter Öl liegt. Der Winter kann kommen. Aber jetzt freue ich mich erst einmal auf den Sommer …

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Die Oliven blühen.

ich will nicht behaupten, dass wir das ignorieren. Aber wir haben es uns über die Jahre abgewöhnt, immer wieder die Bäume abzugehen, um die Vorfreude auf eine gute Ernte zu schüren. Zwischen der Blüte und der Ernte liegen gute fünf Monate und die Hoffnung am Ende möglicherweise brach. Abgesehen davon, dass nicht aus jeder Blüte ein Früchtchen wird, kann es zu Kälteeinbrüchen kommen oder es mangelt an Wasser oder, und dabei handelt es sich um den wiederlichsten Zwischenfall, die Olivenfliege sticht zu. Sie kommt nicht alleine, bringt jede Menge Kollegen mit und die bohren emsig Löcher in die schon zu unserer Freude gut entwickelten Oliven und legen Eier ab. Vor zwei Jahren fielen nach der Invasion alle Oliven von den Bäumen und die Ernte aus. Emotional (im positiven Sinne) reagieren wir nur noch, wenn das Öl in Dosen ist. Vorher üben wir uns in Gleichgültigkeit. Fast …

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Ich habe mich noch nie über Asphalt gefreut.

Geht aber. Freue mich über jeden laufenden Meter, der sich hier in Italien über die Schlaglöcher legt. Die Rechnung über 400 € für die Reparatur eines angeschlagenen Radlagers steigert meine Emotionen (neue Straßenbeläge betreffend) ins Unermessliche. Dass sich auf dem frischen Anthrazit noch keine weißen Markierungslinien befinden … also diesbezüglich bin ich ziemlich emotionslos!

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